Als normaler Junge mit etwas mehr Energie als die anderen Klassenkammeraden war Marco Bruni in jungen Jahren schon vom Sport begeistert. Er war in drei verschiedenen Sportvereinen und hat als 10-jähriger schon mehr als 15 Stunden in der Woche trainiert oder besser gesagt Spass am Sport gehabt. Skifahren, Fussball, Windsurfen, Tennis, Schwimmen, Langstreckenlaufen & Skateboarden – es gibt kaum eine Sportart, die Marco Bruni nicht ausprobiert und teils auch wettkampfmässig verfolgt hat. So stand er im Alter von 14 Jahren im Ski-Juniorenkader als er zusätzlich das Snowboarden entdeckte. Plötzlich war der Leistungssport nebensächlich und Bruni wollte nur noch Windsurfen, Surfen und Snowboarden.
Die Ausbildung zu einer Treuhand-Berufslehre hat gerade noch reingepasst in den engen Sportkalender und anschliessend sollte er in Zürich studieren. So weit kam es jedoch nicht – von 1991 bis 2014 übte er vom Snowboardlehrer und -experten bis zum Snowboard Freestyle-Nationaltrainer verschiedene Positionen aus und das Studium hatte keinen Platz mehr. Nach vier Weltmeistertiteln und einer olympischen Goldmedaille 2014 mit Iouri Podladtchikov war der Höhepunkt der Trainerkarriere erreicht und Bruni wollte sich neu orientieren.
Sport und Business
Neben dem Job als Trainer war Marco Bruni vermehrt im Athletenmanagement tätig. Seit 2010 betreut er fünf verschiedene Sportler. Neben den Sponsoringverträgen ist es ihm ein grosses Anliegen die Athleten auch auf ihrem Karriereweg zu begleiten. Nach dem Gewinn der Olympiamedaille 2014 interessierte ihn aber auch immer mehr die Welt ausserhalb des Sportes und insbesondere was die Wirtschaft vom Hochleistungssport lernen kann. Ein guter Bekannter gab ihm die Chance in seinem Unternehmen Coachingaufgaben zu übernehmen und anstelle von Snowboardskills, Geschäftsprozesse & Dienstleistungen zu analysieren. 2017 wollte Bruni aber zurück in den Sport und schrieb sich auch aufgrund dessen für die Sportmanagement-Weiterbildung an der Universität St. Gallen ein. Durch einen Kurzauftrag mit seinem langjährigen Erfolgsathleten Iouri Podladchikov für die Olympischen Spiele 2018 in Korea, die Projektverantwortlichkeit für den Waveup Surfpark in Regensdorf und die Stelle als Leistungssportchef des schweizerischen Surfverbandes war er wieder mitten im Sportgeschehen. Seit dem 1. September 2019 darf Bruni nun die wundschöne Aufgabe als Leiter Athletenentwicklung für den Rollstuhlsport Schweiz wahrnehmen. Diese Stelle beinhaltet die Leitung des nationalen Leistungszentrums für Rollstuhlsport, die Leitung der Sportakademie sowie die Leitung des Nachwuchses.
Frage 1: Chris, kannst du dich noch an den ersten Studientag in St. Gallen erinnern – bestimmt ein ungewohntes Gefühl, im Alter von 41 Jahren wieder die Schulbank zu drücken?
Ja, nach einer langjährigen eigenen Dozententätigkeit war der Perspektivwechsel schon sehr interessant und zu Beginn auch ein bisschen gewöhnungsbedürftig. Aber diese Anspannung ist sehr schnell verflogen, denn sofort wurde mir klar, dass es die absolut richtige Entscheidung war, noch einmal in die Rolle des Schülers zu schlüpfen.
Frage 2: Wieso hast du dich für die Sportmanagement-Weiterbildung an der HSG entschieden?
Für mich war der damalige Kooperationspartner FC Schalke 04 ein wesentlicher Aspekt bei der Entscheidung. Und natürlich hat die Universität St. Gallen international einen sehr guten Ruf. Ich versprach mir von dieser Kooperation, Theorie und Praxis dieses hochkomplexen Themas bei den Lehrinhalten ideal verbinden zu können. Das hat sich im Nachhinein auch absolut bestätigt. Ich bin aber auch der festen Überzeugung, dass der neue Weg mit verschiedenen Sportklubs, -verbänden und sportnahen Unternehmen als Partner noch spannendere Praxiseinblicke bietet, da man auch sehr viel vom sportartenübergreifenden Austausch profitieren kann.
Frage 3: Wem empfiehlst du den Studiengang?
All jenen, die im Profisport Verantwortung übernehmen müssen bzw. wollen. Meine eigene Situation als Aufsichtsrat eines Fussball-Bundesligisten zu Beginn meiner Amtszeit ist vielleicht ein gutes Beispiel. Natürlich beschäftigt man sich intensiv mit dem eigenen Verein und den sportlichen wie wirtschaftlichen Abläufen der Branche. Aber in der Praxis ist man schlicht ein Quereinsteiger, ein „Newbie“. Diese Erkenntnis fällt einigen ziemlich schwer, wie ich inzwischen weiss. Mir war aber schnell klar, dass Engagement, Networking und „Learning by doing“ schlicht nicht ausreicht, um mich in einer sich im Umbruch befindenden Branche zurechtzufinden und sie proaktiv im Rahmen meiner Möglichkeiten mitzugestalten.
Frage 4: Du beschäftigst dich seit dem Lehrgang intensiv mit dem Thema „Fussball im Spannungsfeld zwischen Volkssport und Kommerzialisierung“. Kannst du unseren Leser/innen bereits einige spannende Erkenntnisse verraten?
Das ist natürlich ein sehr komplexes Thema, welches auch bei jedem Verein unterschiedlich gelagert ist, weil die Aufgaben bzw. Problemstellungen anders sind. Kurz und knapp auf einen Satz verkürzt: Alle Player des Profifussballs sollten den hohen soziokulturellen Wert des Fussballs für die Gesellschaft achten und zusätzlich zum profitorientierten Streben im Rahmen ihrer Möglichkeiten dafür einstehen. Es wird eine „Investition“ sein, die sich auszahlt, da bin ich mir ganz sicher.
Frage 5: Sport ist geprägt durch Emotionen. Inwiefern können Fussballvereine trotzdem wie Wirtschaftsunternehmen geführt werden?
Im Vergleich zu einem „normalen“ Wirtschaftsunternehmen nimmt der emotionale Part eine sehr grosse Rolle ein, nahezu jeder Arbeitsschritt in einem Verein ist davon betroffen. Natürlich sind Profifussballvereine unabhängig von ihrer Rechtsform bereits seit langem Wirtschaftsunternehmen. Aber eben ganz besondere, gerade aufgrund der Emotionalität und weil sie sich an jedem Wochenende mit einem Konkurrenten im direkten Wettkampf messen müssen. Wer sich im Fussballgeschäft engagiert, muss diese Besonderheiten annehmen und sich aneignen. Vor allem der Umgang mit der Emotionalität muss gelernt werden. Nicht zuletzt dieser Sonderstatus bringt Vereine wie den FC Schalke 04 ja dazu, sich den „Nachwuchs“ für die Branche wie z. B. im Rahmen des CAS-Lehrgangs selbst auszubilden.
Frage 6: Welche Rolle spielen Begriffe wie Identität, Identifikation und Authentizität im Bezug auf die Fussball- bzw. Fankultur?
Es sind Schlagworte, die sicherlich in keinem Leitbild eines Vereins fehlen. Ob sie mit Leben gefüllt werden, ist allerdings nur selten eine Frage von Vorgaben oder Leitsätzen - frei nach Forrest Gump’s Mutter: „Authentisch ist der, der Authentisches tut“. Authentizität ist weder planbar noch kann es per Vorstandsbeschluss entschieden werden. Wenn z. B. nach unserem verlorenen Relegationsspiel gegen Eintracht Frankfurt, bei dem wir dem Ergebnis nach denkbar knapp wegen einem Tor den Aufstieg verpasst haben, 40.000 Fans unsere Mannschaft beklatschen und sie mit „You’ll never walk alone“ wieder aufrichten… wie sollten sie für so einen Moment jemals ein Drehbuch schreiben? Momente, in denen sich Identifikation, Identität oder auch die Authentizität eines Vereins zeigen, sind Schlüsselmomente wie der eben beschriebene. Dass sie passieren, hat aber natürlich immer eine Vorgeschichte.
Frage 7: Knapp vier Monate nach der Weiterbildung hast du das Amt im Aufsichtsrat des 1. FC Nürnberg wieder aufgenommen. Welche Tätigkeiten bringt diese ehrenvolle Aufgabe mit sich?
Wie in den meisten anderen deutschen Vereinen definiert sich die Arbeit des Aufsichtsrats vornehmlich durch die Beratung und Kontrolle des Vorstands. „Ehrenvoll“ ist übrigens gleichbedeutend mit Ehrenamt. Meine acht Kollegen und ich erhalten keine Aufwandsentschädigung. Dennoch bereitet es grosse Freude, dieses Amt zu bekleiden und nicht zuletzt auch das Erlernte aus dem CAS-Lehrgang anzuwenden. Zumal wir wie auch alle unsere Mitbewerber mit der digitalen Transformation im Profifussball ein echtes Megathema vor der Brust haben. Offen sein für neue Ideen, klar und kompromisslos bei dem, was ich im Verein und beim Fussball allgemein aus Überzeugung als erhaltens- und schützenwert erachte sowie die Ruhe, mittel- und langfristige Zielsetzungen nicht durch kurzfristige Ergebnisse auf dem Rasen aus den Augen zu verlieren. Letzteres fällt dem Fussballfan in mir naturgemäss am schwersten, aber hier waren vor allem Gespräche und Kontakte zu meinen Studienkollegen sehr hilfreich, die sich schon wesentlich länger in der Branche engagieren und die ich auch heute noch gerne um Rat frage.
Frage 8: Mit deinem branchenspezifischen Know-how bist du bestimmt ein gesuchter Mann in der Sportwelt. Kommt für dich in naher Zukunft auch ein hauptberufliches Engagement im Sportbereich infrage?
Ich führe momentan viele interessante Gespräche und bereite Projekte und Ideen, die mir am Herzen liegen, auf ihre „Marktfähigkeit“ vor. Natürlich geht es dabei massgeblich um den Einklang von wirtschaftlich sowie sportlich erfolgreicher Vereinsarbeit auf der einen Seite und dem soziokulturellen Aspekt des Fussballs auf der anderen. Erstaunlicherweise erfahre ich das grösste Interesse von Seiten der Sponsoren und potenziellen Investoren aus der Private-Equity-Branche, die sich im Fussballsport engagieren bzw. dies vorhaben. Im Hinblick auf meine Antworten zu Ihren vorherigen Fragen freut mich das ehrlich gesagt am meisten. Selten musste ich sehr viel Überzeugungsarbeit leisten, warum der Fussball meiner Meinung nach „Volkssport“ bleiben muss, damit alle „Mitspieler“ langfristig davon profitieren können. Einen Satz aus einem dieser Gespräche möchte ich gerne weitergeben: „Was nützt uns die dritte Reihe einer virtuell bespielten Werbebande, wenn wir uns beim Kameraschwenk über das Stadion fragen müssen, wo denn all die Zuschauer geblieben sind.“
Frage 9: Als Geschäftsführer der Samsonido GmbH bist du zudem in der Medienindustrie tätig. Wo verortest du den Schwerpunkt Ihres Unternehmens?
Wir beraten Unternehmen im Film- und Musikbereich und fungieren bisweilen auch als Investor und Initiator von neuen Ideen. Aber natürlich bleibt auch mein Hauptberuf nicht von Überschneidungen in die Fussballwelt verschont. Aktuell stehen wir im Planungs- und Entstehungsprozess eines Sportpodcast-Projekts mit einem langjährigen Partner aus dem Digitalvertrieb. Ganz ohne Fussball geht es eben schon lange nicht mehr.
Vielen Dank für die interessanten Einblicke, lieber Chris!
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