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Carsten Wehlmann

Alumni des Monats März 2023

Moin. Wer Carsten Wehlmann trifft, wird so herzlich hanseatisch begrüsst, wie es sich in Hamburg gehört. Und überhaupt klingt Carsten Wehlmann viel zu spiessig für einen echten Hamburger Jung, der Schifffahrtskaufmann gelernt hat und dessen Vater als Kapitän zur See gefahren ist. "Wehle" hat da doch die deutlich bessere Wellenlänge. Ein 'Sie', nur um seine Autorität zu stärken, braucht Wehle nicht künstlich einzufordern. Mit seinen 1,91 Metern ragt er heraus.

Schon zu seiner aktiven Fussballkarriere war seine Grösse von Vorteil. Beim FC St. Pauli entwickelte sich Wehle zu einem der besten Zweitliga-Torhüter in Deutschland. Insgesamt 52 Spiele absolvierte er für den Kiez-Klub zwischen 1997 und 2000. Dann lockte die Champions League, die um die Jahrtausendwende tatsächlich noch in Hamburg den Anker setzte. Wehle wechselte zum HSV, für den er in eineinhalb Jahren jedoch kein Pflichtspiel bestritt. Erstens, weil er sich direkt nach dem Transfer einen Trümmerbruch im Finger zuzog. Und zweitens, weil mit Hans-Jörg Butt der Publikumsliebling zwischen den Pfosten stand, der auch noch erfolgreich Elfmeter schoss.

Es folgte ein halbjähriges Gastspiel bei Hannover 96 in der zweiten Liga und eine halbe Saison bei den HSV-Amateuren in der Regionalliga Nord. 2003 entschied sich Wehle für einen Wechsel zum VfB Lübeck, für den er bis 2007 nochmal 19 Zweitliga- und 8 Regionalligaspiele absolvierte. Seine aktive Karriere beendete er schliesslich in der zweiten Mannschaft des FC St. Pauli.

Das Tor zur Welt öffnete sich direkt danach: Wehle nahm er ein Angebot aus Katar an, half dort die heimische Liga zwei Jahre lang zu entwickeln und professionalisieren, ehe er nach der Geburt seiner Tochter wieder zurück nach Deutschland und zu Holstein Kiel ging, wo er zehn Jahre als Chefscout und Torwarttrainer arbeitete. 2018 wechselte Wehle als Sportkoordinator zum SV Darmstadt. 2019 stieg er nach der Beurlaubung von Dirk Schuster zum Sportlichen Leiter der Lilien auf.

In den vergangenen Jahren formte Wehle den einstigen Abstiegskandidaten zu einem ambitionierten Zweitligisten, der drauf und dran ist, sich dauerhaft in den Top-20 im deutschen Profifussball zu etablieren. "Ein Nordlicht lässt die Lilien leuchten", titelte die Süddeutsche Zeitung im Februar 2023 über Wehle. Wie ein Leuchtturm agiert der 50-Jährige mittlerweile als verlässlicher Stratege im Hintergrund, der auch bei unruhiger See standhaft bleibt und nie den Weg zum Ziel aus den Augen verliert. Ein Macher, der sich stets weiterentwickelt hat, seiner herzlich hanseatischen Begrüssung aber bis heute treu geblieben ist: Moin.

Frage 1: Carsten, ihr reitet beim SV Darmstadt 98 auf einer Erfolgswelle. Wo liegen aus deiner Sicht die Gründe für diesen Höhenflug?

Die Tabellensituation ist zwar immer nur eine Momentaufnahme, aber klar: wenn du nach mehr als 20 Ligaspielen an der Spitze stehst, hast du in der Vergangenheit das ein oder andere richtig gemacht. Wir haben uns nicht nur in dieser Saison kontinuierlich entwickelt, sondern in den vergangenen Jahren stetig Schritte nach vorne gemacht. Die Verpflichtung von Torsten Lieberknecht vor anderthalb Jahren spielt dabei sicherlich eine entscheidende Rolle. Er hat die Qualitäten und auch das richtige Bauchgefühl für den Klub. Wir haben generell ein sehr gutes Gruppengefüge und eine hohe Bereitschaft, uns gegenseitig zu fördern und fordern.

Frage 2: Du stehst nicht gern im Rampenlicht, trotzdem titelte die SZ: "Ein Nordlicht lässt die Lilien leuchten". Ist das eine Genugtuung für dich?

Wenn der Scheinwerfer auf mich fällt, flüchte ich jetzt nicht sofort. Aber ich muss nicht immer im Rampenlicht stehen, das ist korrekt. Der Spot gehört auf die Jungs, die Woche für Woche auf dem Rasen abliefern und unseren Fans Freude bereiten. Viele meiner zentralen Themen finden nicht im öffentlichen Fokus statt — und das ist gelegentlich durchaus von Vorteil. Wenn jeder bei uns im Verein auf seiner Position sein Bestes gibt, werden wir am Ende alle erfolgreich sein.

Frage 3: Ihr möchtet in den Top‑20 bleiben und die Bundesliga herausfordern. Ist das realistisch mit eurem Budget?

Wir sind finanziell im Mittelfeld der 2. Bundesliga beheimatet. Es gibt Vereine mit deutlich höherem Budget. In unserem Leitbild steht: wir wollen die Top 20 des deutschen Profifussballs mit wirtschaftlicher Vernunft herausfordern. Das ist möglich, aber wir haben Optimierungsbedarf. Aufgrund der limitierten Mittel müssen wir kreativere Lösungen finden — und frühzeitig in Kontakt mit Spielern treten, die zu unserer Vision und Kultur passen.

Frage 4: Du bist maßgeblich an der Kaderzusammenstellung beteiligt. Was ist dein Erfolgsrezept, um "aus wenig sehr viel zu machen"?

Das Erfolgsrezept ist vielschichtig: frühzeitige Kontakte, klare Kommunikation, langfristige Perspektiven und eine starke Verzahnung mit dem Nachwuchs. Entscheidend ist auch, das Umfeld attraktiv zu gestalten: ein familiäres Klima, klare Entwicklungspfade und Trainer, die Spieler fördern. Zudem ist Delegation wichtig — der Fussball ist keine One‑Man‑Show, man braucht ein starkes Team hinter sich.

Frage 5: Du hast als Profi gespielt, aber nicht dauerhaft auf den großen Bühnen. Bedauerst du das?

Nein, es nervt mich nicht. Das Tor zur Welt hat sich mir geöffnet — ich habe Erfahrungen in verschiedenen Ligen gesammelt, sogar in Katar. Diese Stationen haben mich geprägt und helfen mir heute, die Ansprüche auf unterschiedlichen Ebenen besser einzuschätzen.

Frage 6: Welche Erfahrungen aus deiner Spielerzeit helfen dir heute als Sportdirektor?

Die Erfahrung für die Kabine ist ein Mosaikstein, den man kaum lernen kann. Zu wissen, wie Profimannschaften funktionieren und wie Spieler ticken, hilft bei Entscheidungen und Gesprächen. Mein Credo war stets, das Beste aus mir herauszuholen — daran hat sich nichts geändert.

Frage 7: Was zeichnet aus deiner Sicht einen guten Sportdirektor aus?

Ein Sportdirektor braucht Verständnis für den Sport, Verhandlungsgeschick, Marktüberblick und vor allem Führungskompetenz. Man muss Verantwortungen abgeben können und ein Team um sich aufstellen, das die Stärken jedes Einzelnen bestmöglich nutzt. Die Verzahnung von Nachwuchs und Profibereich ist dabei zentral.

Frage 8: Was gehört neben Kaderplanung noch zu deinem Aufgabenbereich?

Zu meinen Aufgaben zählt die Zusammenstellung des gesamten Teams: Trainer, Betreuer, Physiotherapeuten etc. Ebenso wichtig ist die enge Anbindung des Nachwuchsleistungszentrums an die Profiabteilung und die Entwicklung langfristiger Strukturen und Konzepte.

Frage 9: War das CAS Sportmanagement eine Bereicherung für deine Arbeit?

Absolut. Das CAS hat meine Erwartungen nicht nur erfüllt, sondern übertroffen. Besonders die Modulwoche "Führung von Sportorganisationen" war sehr hilfreich. Vor allem die Gruppe der Teilnehmer hat wie eine Mannschaft funktioniert — der Austausch war enorm wertvoll.

Frage 10: Wo siehst du dich in fünf Jahren?

Das ist schwierig zu sagen — die Dinge ändern sich schnell im Fussball. Mein Anspruch ist, das Bestmögliche zu erreichen: für den Verein und auch ein Stückweit für mich selbst. Wenn Darmstadt in fünf Jahren in der Champions League stünde, würde ich das nicht ablehnen — aber realistischer bleiben wir bei kontinuierlicher Entwicklung.

Vielen Dank für das sympathische Interview, lieber Carsten!

Carsten Wehlmann

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