Christian "Gigi" Thoma

Christian «Gigi» Thoma lebt in Niederurnen und ist seit 2019 Teil von Swiss-Ski – zunächst als Weltcuptrainer im Snowboardcross, seit 2022 als Cheftrainer der Schweizer Snowboardcross-Nationalmannschaft. In dieser Rolle koordiniert er die Arbeit von Weltcup- und Europacup-Trainern und plant Rennteilnahmen auf allen Ebenen, von Junioren-Weltmeisterschaften bis hin zu Olympischen Spielen.
Seine Karriere im Snowboardsport begann er 2007 als Teilzeit-Trainer, parallel zu seiner Tätigkeit als Snowboardlehrer in Flumserberg. Als Athlet war er von 2003 bis 2009 aktiv und seit 2005 Mitglied bei BASE (Boarding Association Suisse East). Dort übernahm er 2009 die Rolle des Cheftrainers sowie die Vorstandsarbeit und war für Trainings, Selektionen und die Betreuung der Athleten zuständig. Zudem koordinierte er die Zusammenarbeit zwischen Schule, Eltern und Lehrbetrieben sowie die Trainings- und Wettkampfplanung.
Von 2011 bis 2014 betreute er die SBX-Europacup-Trainingsgruppe und von 2014 bis 2016 die SBX-Rookie-Trainingsgruppe von Swiss-Ski/Snowboard. Er begleitete zahlreiche internationale Snowboard-Grossanlässe, darunter die Olympischen Spiele 2010 in Vancouver, 2014 in Sotschi und 2022 in Peking sowie diverse Weltmeisterschaften und Europacups.
Seine sportliche Ausbildung umfasst die Diplom-Trainerausbildung (seit 2016), die Berufstrainerausbildung (2012–2013) und verschiedene J+S-Ausbildungen. Neben seiner sportlichen Karriere sammelte er Berufserfahrung im Einzelhandel, unter anderem als stellvertretender FM-/CM-Leiter bei SportXX/Migros. Zusätzlich absolvierte er einen Sportmanagement-Lehrgang, einen Englischkurs und eine Ausbildung zum Sachbearbeiter Marketing.
Zu seinen Stärken zählen Kreativität, Organisationstalent, eine strukturierte Arbeitsweise, Sozialkompetenz, Zielstrebigkeit und hohe Fachkompetenz. In seiner Freizeit treibt er gerne Sportarten wie Unihockey, Eishockey, Bergsteigen und Biken und geniesst die Natur.
Meine Leidenschaft gilt dem Sport und der Arbeit mit Menschen. Schon immer war es mir wichtig, zur Entwicklung und Förderung junger Talente beizutragen. Während meiner aktiven Zeit habe ich viel investiert – doch anfangs war mir nicht klar, wo ich konkret ansetzen sollte.
Die Snowboardszene war zwar sehr populär, jedoch fehlte es an Struktur. Auch die Verbände standen vor der Herausforderung, sich mit einer neuen Sportart auseinanderzusetzen. Genau darin sah ich meine Chance: den jungen Athletinnen und Athleten eine Perspektive zu bieten, damit sie ihre Träume verwirklichen können.
Denn was gibt es Schöneres, als das eigene Hobby zum Beruf zu machen?
Damals war es noch möglich, in einer Doppelrolle zu agieren – als Athlet und Trainer zugleich.
Mein damaliger Trainer lebte diese Kombination vor, und für eine kurze Zeit durfte auch ich in diese Rolle schlüpfen. Es war eine spannende Phase, in der ich nicht nur körperlich gefordert war, sondern auch begann, den Sport aus einer anderen Perspektive zu verstehen.
Ich bin überzeugt, dass es ein grosser Vorteil sein kann, wenn man den Sport selbst erlebt hat – sei es aktiv oder zumindest im Versuch. Man spürt die Emotionen, kennt die Herausforderungen, die Zweifel, aber auch die Begeisterung. Dieses Verständnis hilft, sich besser in die Athletinnen und Athleten hineinzuversetzen.
Natürlich gibt es auch hervorragende Trainer, die nie selbst aktiv waren. Denn am Ende geht es nicht darum, ob man den Sport selbst betrieben hat. Es geht darum, ob man ihn wirklich versteht. Ob man die Leidenschaft spürt, bereit ist, sich weiterzuentwickeln und den Athletinnen und Athleten auf Augenhöhe begegnet.
Für mich ist das die Grundlage guter Trainerarbeit: echtes Verständnis, ehrliche Begeisterung und der Wille, gemeinsam zu wachsen.

Olympische Spiele sind mehr als ein Wettkampf – sie sind ein Erlebnis, das bleibt.
Eines der bewegendsten Erlebnisse durfte ich bei den Winterspielen in Peking 2022 miterleben. Dort schrieb Lindsey Jacobellis Snowboardgeschichte – und berührte damit nicht nur mich, sondern die gesamte Snowboardwelt.
2006 in Turin verlor Lindsey ihre Goldmedaille kurz vor dem Ziel an die Schweizerin Tanja Frieden, nachdem sie einen Sprung nicht stehen konnte. Tanja nutzte die Chance und fuhr vorbei Gold für die Schweiz – ein Moment, der sich tief ins kollektive Gedächtnis eingebrannt hat. 16 Jahre später, in Peking, erfüllte sich für Lindsey endlich ihr Traum: Sie gewann Gold.
Was danach geschah, war aussergewöhnlich. Es gab kein Team, keine Athletin und keinen Athleten, die ihr nicht gratulierten. Die Anerkennung und der Respekt bei der Siegerehrung waren überwältigend – so etwas habe ich in dieser Intensität noch nie erlebt. Es war ein Moment, der gezeigt hat, wie viel Herz, Geschichte und Menschlichkeit im Sport steckt.
Was mich antreibt, ist die Vielfalt meiner Aufgaben: Die strategischen Massnahmen, die im Office entwickelt werden, nicht nur mitzugestalten, sondern auch aktiv umzusetzen – und direkt zu erleben, wie sie den Sport verändern. Die Arbeit im Büro legt das Fundament und definiert die Richtung. Doch genauso wichtig ist es für mich, draussen am Puls des Geschehens zu sein, mitzugestalten und spürbaren Einfluss zu nehmen. Genau diese Verbindung von Planung und Praxis macht meine Arbeit so erfüllend.
Es ist nicht immer einfach, die richtige Balance zu finden, was man einem Athleten oder einer Athletin zumuten kann. Auch ich bin während der Rennen oft angespannt. Doch mit den Jahren erkennt man Muster und entwickelt ein Coaching, das beruhigt und weiterhilft. Eine solide physische Grundlage ist essenziell – genauso wie das gegenseitige Vertrauen. Wir kennen unsere Athlet:innen sehr gut, und sie vertrauen uns, was die Basis für erfolgreiche Rennen ist. Ich würde niemals jemanden starten lassen, wenn ich es als fahrlässig einstufen würde. Die Sicherheit und vor allem die langfristige Gesundheit jedes Einzelnen stehen für mich immer an erster Stelle.
Der Schlüssel zur langfristigen Talentförderung liegt für mich in einer individuellen und ganzheitlichen Betreuung. Es geht nicht nur um physisches Training, sondern auch um mentale Entwicklung, Vertrauen und Perspektiven. Junge Athlet:innen brauchen ein Umfeld, das sie fordert, aber nicht überfordert. Wenn wir ihre Persönlichkeit verstehen und sie mit Geduld, Struktur und Empathie begleiten, können sie ihr volles Potenzial entfalten.
Dazu gehört ein strukturierter Trainingsbetrieb, die Einbindung des Umfelds und vor allem die Freude am Sport. Wir müssen vorausschauend handeln – nicht nur sportlich, sondern auch in Bezug auf Ausbildung und persönliche Entwicklung. Gerade in einer Randsportart wie Snowboardcross ist es entscheidend, dass wir Athlet:innen von der Nachwuchsstufe bis in den Spitzensport ganzheitlich begleiten und ihnen eine nachhaltige Perspektive bieten.
Kreativität ist im Traineralltag essenziell – doch nicht jede Idee lässt sich umsetzen. Oft stossen wir an strukturelle oder finanzielle Grenzen. Dann stellt sich die Frage: Ist es wirklich notwendig oder gibt es alternative Wege? Diese Flexibilität ist entscheidend.
Als Trainer hat man einen klaren Plan, doch äussere Faktoren wie Wetter oder kurzfristige Änderungen verlangen schnelle, durchdachte Lösungen – ohne das Ziel aus den Augen zu verlieren. Es geht darum, pragmatisch zu handeln, kreativ zu denken und dennoch die Qualität und Sicherheit im Training zu gewährleisten.
Die Wettkampfsaison ist für mich die schönste, aber auch die intensivste Zeit im Jahr. Einen typischen Tag gibt es kaum – die Abläufe ähneln sich zwar, doch jeder Tag ist anders, weil wir ständig unterwegs sind und sich die Rahmenbedingungen laufend ändern.
Wenn es doch so etwas wie einen typischen Tag gibt, dann ist es der Montag nach einem Wettkampfwochenende. Da analysiere ich die Resultate, vergleiche unsere Leistungen mit denen anderer Nationen und schaue, wo wir als Team Schweiz stehen. Diese Auswertung ist ein wichtiger Teil meiner Arbeit, um gezielt weiterzuentwickeln.
Für mich bedeutet ein funktionierendes Team mehr als nur Zusammenarbeit – es ist ein Gefühl. Es ist das Vertrauen, das entsteht, wenn man sich aufeinander verlassen kann. Es ist die Energie, die spürbar wird, wenn alle für das gleiche Ziel brennen. Wir lachen zusammen, wir kämpfen zusammen, und manchmal stehen wir auch gemeinsam in schwierigen Momenten. Aber wir stehen – immer.
Auch wenn Snowboardcross ein Einzelsport ist, sind wir als Team verbunden. Jeder gibt alles – für sich selbst, aber auch für die anderen. Wir gehen die Extrameile, weil wir wissen: Erfolg entsteht nicht allein. Es ist dieses Miteinander, dieser Respekt, diese gemeinsame Vision, die uns stark machen. Und genau das ist es, was mich jeden Tag aufs Neue motiviert.
Der CAS Sportmanagement 2024 hat mir viele wertvolle Impulse gegeben – aber was mich besonders geprägt hat, ist das strategische Denken im Sport. Als Trainer bin ich oft mitten im Geschehen: bei den Athlet:innen, bei den Rennen, bei Entscheidungen, die sofort Wirkung zeigen müssen. Durch das CAS habe ich gelernt, den Blick zu weiten – über den Moment hinaus. Wie plane ich nachhaltig? Wie setze ich Ressourcen sinnvoll ein? Wie verbinde ich sportliche Ambitionen mit organisatorischer Realität?
Besonders bereichernd war für mich der Austausch mit den anderen Teilnehmenden. Das Netzwerk war unglaublich vielfältig – Menschen aus verschiedenen Sportarten, mit unterschiedlichen Perspektiven und Erfahrungen. Diese Gespräche haben mir neue Denkweisen eröffnet und gezeigt, wie viel wir voneinander lernen können.
Ein spannender Aha-Moment war der Blick in den Fussball. Anfangs war ich skeptisch gegenüber der Struktur und Präsenz der Fussballvereine – heute sehe ich, wie viel professionelle Arbeit dahintersteckt. Diese Erkenntnis hat mir geholfen, mein eigenes Umfeld besser zu strukturieren und langfristig zu denken – für die Athlet:innen, für das Team, und für den Sport.
Wenn ich auf meine Laufbahn vom Athleten bis zum Cheftrainer zurückblicke, gibt es drei zentrale Erkenntnisse, die ich jungen Trainerinnen und Trainern mitgeben möchte.
Erstens: Vertrauen ist die Basis für alles. Die Beziehung zwischen Trainer und Athlet muss auf gegenseitigem Respekt und Verständnis beruhen. Nur wenn sich Athletinnen und Athleten sicher und unterstützt fühlen, können sie ihr volles Potenzial entfalten. Es geht nicht nur um Trainingspläne und Technik, sondern darum, Menschen zu begleiten.
Zweitens: Fehler sind keine Niederlagen, sondern Lernchancen. Im Sport – wie im Leben – läuft nicht immer alles nach Plan. Ich habe selbst erlebt, wie wichtig es ist, aus Rückschlägen zu lernen und sie als Teil des Entwicklungsprozesses zu sehen. Diese Haltung hilft nicht nur den Athleten, sondern auch uns Trainern, besser zu werden.
Drittens: Den langen Weg im Blick behalten. Im Leistungssport ist der Druck auf schnelle Resultate gross. Doch wirklicher Erfolg entsteht durch Geduld, Kontinuität und die Bereitschaft, individuelle Wege zu begleiten – auch wenn sie nicht immer geradlinig verlaufen.
Vielen Dank für das spannende Interview, lieber Gigi.