Nils Petersen ist ehemaliger deutscher Profifussballer und einer der bekanntesten Stürmer der Bundesliga der letzten Jahre. Nach Stationen bei Carl Zeiss Jena, Energie Cottbus, Bayern München und Werder Bremen fand er 2015 beim SC Freiburg seine sportliche Heimat. Dort wurde er nicht nur zum Rekordtorschützen des Vereins, sondern auch als „Joker der Bundesliga“ bekannt – kein Spieler erzielte mehr Tore nach Einwechslungen. 2023 beendete Petersen nach fast 300 Bundesligaspielen und zahlreichen Treffern seine Profikarriere und absolvierte 2024 den CAS Sportmanagement der Universität St.Gallen. Ganz vom Fussball verabschiedet hat er sich aber nicht: Seitdem ist er als TV-Experte aktiv, unter anderem ab der Saison 2025/26 bei DAZN. Zudem spielt er weiterhin aus Freude am Sport in unteren Ligen, zuletzt beim Blankenburger FV und aktuell bei den Sportfreunden Oberried. Neben dem Platz hat Petersen 2023 sein Buch «Bank-Geheimnis» veröffentlicht, in dem er Einblicke in die Höhen und Tiefen des Profialltags gibt und über Werte spricht, die ihn geprägt haben. Mit seiner Erfahrung und seiner Authentizität bleibt er dem Fussball auch nach seiner aktiven Karriere eng verbunden.
Frage 1: Lieber Nils, vor gut zwei Jahren hast du deine Profikarriere nach fast 300 Bundesligaspielen beendet. Wie schwer ist dir der Abschied vom Profispieler-Alltag gefallen und was vermisst du heute am meisten?
Ich vermisse am meisten die Kabine, die Kollegen und das einfache Gerede unter „kleinen Jungs“, die das gleiche Hobby teilen. Gemeinsam zu verlieren und gemeinsam zu gewinnen, denn geteiltes Leid ist halbes Leid, und Freude verdoppelt sich. Das fehlt mir am meisten.
Ansonsten bin ich zum Glück sehr strukturiert und organisiert, sodass ich einen guten Übergang gefunden habe und mir die Arbeit mit den Medien inzwischen sehr viel Spass bereitet. Ich habe gerne etwas zu tun und merke, dass es mir gar nicht so gut tut, wenn ich zwei, drei Tage am Stück frei habe. Ich habe mich bewusst breit aufgestellt, um für mich herauszufinden: Was liegt mir? Was steht mir? Was sagt mir zu? Am Ende ist es auch ein Privileg, sagen zu können, dass man nur die Dinge macht, die einem Freude bereiten.
Frage 2: Wenn du auf deine Zeit als Profi zurückblickst: Welche Eigenschaften haben dich auf dem Platz am meisten ausgezeichnet?
Am meisten ausgezeichnet hat mich meine Geduld, also die Fähigkeit, Dinge zu ertragen und auszuhalten. Das klingt zwar oft nach einer Floskel, wenn man sagt, dass man auch mal eine Leidenszeit durchleben muss, um daraus zu lernen und besser zu werden, aber es ist einfach so.
Gerade in den Tiefs habe ich mir die meisten Credits bei den Mitspielern, den Fans, im Umfeld und im Verein erarbeitet. Dankbarkeit und Demut mitzubringen und jeden Tag hart dafür zu arbeiten, den Traum weiterleben zu können, war für mich selbstverständlich.
Das habe ich jahrelang getan, um mich 16 Jahre in diesem Fussballbusiness behaupten zu können. Ich habe viele Stürmer kommen und gehen sehen, und durfte meistens bleiben. Das hat auch damit zu tun, dass ich die Tugend hatte, mich voll einzubringen und jeden Tag zu versuchen, als Erster zu kommen und als Letzter zu gehen, weil ich immer der Meinung war, dass harte Disziplin und harte Arbeit belohnt werden.
Frage 3: Beim SC Freiburg bist du Vereins-Rekordtorschütze geworden und wurdest als „Joker der Bundesliga“ bekannt. Was bedeutet dir dieser Rekord und gibt es ein Tor, das dir dabei besonders in Erinnerung geblieben ist?
Ich bin super dankbar, dass ich so viel erleben und erreichen durfte. Ich habe nie wirklich geahnt, was da überhaupt möglich ist. Aber wenn man in der Bundesliga oder bei so einem tollen Klub wie dem SC Freiburg rekordmässig ganz oben stehen darf, dann macht das etwas mit einem.
Ein bisschen Ego ist da schon dabei, dass man auch mal auf sich schaut und auf das, was man selbst erreicht hat, gerade nach der Karriere. Ich blicke mir diese Scorerliste total gerne an und freue mich, dass ich dort ganz oben stehen darf.
Am meisten in Erinnerung geblieben ist mir das Tor in Dortmund. Vor 80'000 Menschen aus, glaube ich, 42 Metern zu treffen, ich bin nicht unbedingt bekannt für schöne Tore, aber das war eines der wenigen, die nicht hässlich waren.
Frage 4: Heute spielst du aus Freude in den unteren Ligen. Wie kam es dazu und was bedeutet es dir, wieder in einem kleinen Klub einfach aus Spass am Spiel auf dem Platz zustehen?
Ich freue mich riesig, dass ich nach der Profikarriere die Erkenntnis gewonnen habe, dass mir etwas weggebrochen ist, das ich gar nicht hergeben muss. Ich kann weiterhin eine Kabine betreten, ich kann weiterhin kicken, ich kann weiterhin Spass haben und mich mit 20 oder 30 Gleichgesinnten umgeben – auf einem anderen Level und ohne die weiten Reisen, aber ansonsten ist der Sport ja der gleiche.
Ich freue mich wahnsinnig, dass ich nach der Landesliga noch ein bisschen Kreisliga spielen kann. Ich erfahre dort unheimlichen Respekt vom Gegner und auch von den Mitspielern.
Mein Ehrgeiz ist natürlich immer noch da und sehr gross. Man kriegt den Profi nie ganz aus einem Menschen. Ob Ernährung, Schlaf oder der Wille, unbedingt gewinnen zu wollen – das bleibt einfach in einem drin. Da sieht man die grössten Unterschiede, gerade beim Thema Ehrgeiz.
Frage 5: Fühlst du dich auf dem «Dorfplatz» manchmal fast «befreit», weil es nicht mehr um Leistungsdruck, Medien oder Erwartungen geht, sondern nur um den Ball und die Gemeinschaft?
Ja, ich geniesse es sehr, diesen Rucksack nicht mehr aufzuhaben, nicht mehr von allen Seiten bewertet zu werden, mich nicht mehr mit Konkurrenten vergleichen zu müssen, die einem den Platz streitig machen wollen.
Ich muss nicht mehr um einen neuen Vertrag kämpfen oder trainieren, weil jedes Training einen bestimmten Zweck erfüllen muss. Ich kann einfach das machen, was Spass macht. Ich spiele nicht mehr für Geld, sondern geniesse es, ohne etwas dafür zu bekommen und ohne etwas hinterherzutrauern, nur weil man vielleicht nicht gewonnen hat. Dass ich diesen Rucksack ablegen konnte, macht unglaublich Freude.
Frage 6: In deinem Buch Bank-Geheimnis gibst du sehr persönliche Einblicke in das Leben als Profi. Gab es beim Schreiben Momente, in denen du selbst überrascht warst, wie dich bestimmte Erlebnisse geprägt haben?
Ich habe ja das Buch «Bank-Geheimnis» geschrieben, und ich kann wirklich jedem empfehlen, einmal die eigene Vita aufzuschreiben und in sich hineinzuhorchen. Eigentlich müsste jeder einmal ein Buch über sich selbst schreiben, weil man erst dann merkt, was man im Leben schon alles geschafft hat. Man vergisst das im Alltag oft.
Ich bin eher jemand, der zuerst die zwei oder drei negativen Dinge sieht und dabei die vielen positiven Momente übersieht. Beim Schreiben wurde mir bewusst, wie viele Titel, Freunde und Tore ich gesammelt habe und wie sehr mich bestimmte Erlebnisse geprägt haben. Diese Erkenntnisse kamen oft erst beim Formulieren der Geschichten – und genau das hat mich am meisten überrascht.
Frage 7: Als Keynote Speaker teilst du heute deine Erfahrungen und Werte aus dem Profisport auch mit einem breiteren Publikum. Welche Botschaften liegen dir dabei besonders am Herzen und was möchtest du Menschen ausserhalb des Fussballs mitgeben?
Man hat ja nie wirklich einen Vergleich, und erst als Keynote Speaker ist mir nach und nach bewusst geworden, wie viel Menschen ausserhalb des Profisports eigentlich vom Fussball lernen können. Wir eignen uns im Laufe der Jahre bestimmte Fähigkeiten an, die in jeder Branche und für jeden Arbeitgeber wertvoll sind. Dazu gehört zum Beispiel, mit Konkurrenten in einer Kabine zu sitzen und trotzdem voneinander zu profitieren, mentalen Druck auszuhalten oder in entscheidenden Momenten klar zu bleiben. Genau solche Themen vermittle ich gerne.
Ich versuche, die Inhalte unterhaltsam und greifbar zu machen. Ich hatte in meiner Karriere viele herausragende Trainer und Führungspersönlichkeiten, von denen ich sehr viel gelernt habe. Vieles davon gebe ich heute weiter, besonders an Führungskräfte, die verstehen wollen, was Menschen oder im Fussball eben Spieler wirklich brauchen, um ihr Potenzial zu entfalten.
Der Fussball hat etwas Mythisches, und wenn man Menschen einen Einblick hinter die Kulissen geben kann, holt sie das sofort ab. Das habe ich unglaublich stark gespürt. Und ein Thema, das mir dabei besonders am Herzen liegt, ist Mental Health, weil ich dazu aus eigener Erfahrung wahnsinnig viel beitragen kann.
Frage 8: Seitdiesem Jahr bist du regelmässig als TV-Experte unterwegs, seit der Saison 2025/26 auch bei DAZN. Wie erlebst du den Rollenwechsel vom Spieler, der selbst im Fokus steht, hin zum Beobachter und Analytiker?
Ich liebe meine Arbeit bei DAZN, und ich bin wirklich dankbar, dass ich dort sein darf. Ich gehe mehr denn je in Analysen auf. Früher hatte ich als Spieler vier- bis fünfmal pro Woche Videoanalysen, oft über eine Stunde lang. Jetzt darf ich selbst Analysen aufbereiten, und dass mir das einmal so viel Spass machen würde, hätte ich früher nicht gedacht. Ich gehe inzwischen auch viel stärker ins Taktische, was ich früher nie als mein Steckenpferd gesehen habe.
Jetzt darf ich am Spielfeldrand stehen, meinen Senf dazugeben und meine Erfahrungen teilen. Ich kann ein Stück weit in die Köpfe der Spieler schauen, vielleicht etwas mehr als ein normaler Zuschauer. Ich versuche, das wiederzugeben, was man im TV nicht direkt sieht, sondern was ein Profi in bestimmten Momenten denkt – was auf der Bank passiert, in der Kabine oder in hektischen Spielsituationen.
Ich habe mich schon als Spieler immer als eine Art Entertainer für das Publikum gesehen, fast wie ein Künstler. Und genau das versuche ich jetzt als Experte weiterzuführen. Das Publikum zu unterhalten und ihm etwas mitzugeben, das sehe ich als meine Aufgabe und als meinen eigenen Anspruch.
Frage 9: Du hast 2024 den CAS Sportmanagement absolviert. Was hat dich dazu motiviert, diese Weiterbildung nach deiner aktiven Karriere zu machen?
Es läuft im Fussball natürlich viel über Empfehlungen, und so war es auch beim CAS Sportmanagement. Nach der aktiven Karriere gibt es unglaublich viele Möglichkeiten, neue Wege auszuprobieren und Orientierung zu finden. Auf eine Empfehlung hin bin ich beim CAS Sportmanagement der Universität St.Gallen gelandet und bin heute wahnsinnig dankbar dafür.
Ich habe heute noch Kontakt zu meinen Studienkollegen, obwohl diese Zeit schon länger vorbei ist. Wir haben enorm voneinander profitiert, miteinander gelernt und ein starkes Netzwerk aufgebaut. Man erfährt viel Wertschätzung. Gerade wir Fussballer haben ja manchmal das Gefühl, im normalen Berufsalltag eher belächelt zu werden. Dort war das überhaupt nicht so. Im Gegenteil, uns wurde sofort vermittelt, dass man auch von uns etwas lernen möchte. Gleichzeitig konnten wir sehr viel von den Teilnehmenden mitnehmen, die nicht aus dem Profisport kommen, dafür aber langjährige Erfahrung aus Unternehmen mitbringen. Diese Mischung war unglaublich wertvoll. Hinzu kamen die vielen Speaker, denen man zuhören durfte und von denen man etwas mitnehmen konnte. Die Inhalte haben nachhaltig gewirkt. Und genau davon zehre ich bis heute sehr stark.
Frage 10: Wie war es für dich, als ehemaliger Profisportler Teil eines Netzwerks aus so unterschiedlichen Teilnehmenden zu sein und was hast du aus diesem Austausch für dich mitgenommen?
Als Profisportler verlernt man ein Stück weit das Lernen, wenn man nicht dranbleibt. Im CAS war es deshalb unglaublich spannend, wieder in eine Situation zu kommen, in der man viermal eine Woche lang richtig viel aufnehmen, aufsaugen und behalten musste. Dieses Gefühl, wieder lernen zu lernen, hat mir sehr gutgetan.Als Leistungssportler ist man automatisch motiviert und ehrgeizig. Man möchte gute Noten bekommen, den anderen in der Gruppe gerecht werden und auch zu Hause dranbleiben. Vieles, was man von den erfahrenen Speakern mit auf den Weg bekommen hat, versucht man dann umzusetzen. Gerade wenn ich an jemanden wie Wolfgang Jenewein denke, eine beeindruckende Persönlichkeit, die Menschen sofort erreicht. Da will man selbst auch mal versuchen, eine etwas extrovertiertere Art zu integrieren, weil das in unserem Business nie schadet, besonders jetzt, wo ich viel mit den Medien arbeite. Man möchte die Menschen erreichen, sie bei Laune halten und ihnen etwas mitgeben. Und genau deshalb bleibt aus diesem Austausch wahnsinnig viel in Erinnerung.
Und genau deshalb bleibt aus diesem Austausch wahnsinnig viel in Erinnerung.
Frage 11: Zum Abschluss: Wie sehen deine nächsten Schritte aus? Können wir künftig damit rechnen, dich als Sportdirektor beim SC Freiburg zu erleben?
Ich werde weiterhin die Arbeit in den Medien forcieren, weil mir das unglaublich viel Spass macht. Wie ich gesagt habe: Es ist ein Privileg, ein Hobby zum Beruf zu machen – und dieses Glück habe ich nun schon mein ganzes Leben.
Mir ist aber auch bewusst, dass das eher eine kurz- oder mittelfristige Perspektive ist, weil immer wieder neue Spieler aufhören, die ebenfalls Interesse an diesem Job haben. Und langfristig möchte man vielleicht irgendwann etwas Festes im Fussball anstreben.
Grundsätzlich ist es sicherlich ein Lebenstraum von mir, eines Tages in einem Fussballverein zu arbeiten. Auch wieder diese Ergebnisabhängigkeit zu spüren, die man jahrelang verflucht, weil sie Druck erzeugt, die man aber gleichzeitig auch ein Stück weit geniesst. Dieser Wettkampfmodus steckt einfach in einem – ob im Gesellschaftsspiel oder im echten Leben. Er lässt einen nie los. Deshalb kann ich mir sehr gut vorstellen, irgendwann vielleicht auch in der Bundesliga arbeiten zu dürfen.
Vielen Dank für das spannende Interview, lieber Nils!
Lorem ipsum dolor sit amet, consectetur adipiscing elit, sed do eiusmod tempor incididunt ut labore et dolore magna aliqua. Ut enim ad minim veniam, quis nostrud exercitation ullamco laboris nisi ut aliquip ex ea commodo consequat. Duis aute irure dolor in reprehenderit in voluptate velit esse cillum dolore eu fugiat nulla pariatur.
